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U-Bahn Kontrollöre in tiefgefrorenen Frauenkleidern

Skurrile Invasion aus Hessen
'U-Bahnkontrollöre in tiefgefrorenen Frauenkleidern'

von ANNETTE SIMANTKE
Kölnische Rundschau vom 21.10.2003

NIPPES. Unheimlich Summen tiefe Stimmen ein 'Ding Dong' in Zeitlupe. Die Töne hallen von den dicken Backsteinwänden wider und scheinen wie Glocken zu läuten, bis sie leiser werden und in das Lied 'Money' von Pink Floyd übergehen. Über den alten Gemäuern tanzen große Buchstaben und Lichteffekte. Eine merkwürdige Szenerie.
Im Chor der Lutherkirche an der Siebachstraße, wo sonst der Altar steht, standen am Donnerstag U-Bahnkontrolleure. Nicht irgendwelche, sondern die 'U-Bahnkontrollöre in tiefgefrorenen Frauenkleidern', angereist aus Frankfurt. Im Rahmen des 'Internationalen Köln Comedy Festivals' boten die fünf Vokalisten in der Kulturkirche Köln 'Hardcore a-capella' in einer rasanten und perfekt inszenierten Show. Das Versprechen von Pfarrer Thomas Diederichs zu Konzertbeginn, die unerschrockene Truppe werde 'jegliche Vorstellungen sprengen', lösten die Jungs aus Hessen allemal ein. In heimatlichen Gefilden sind ihre Konzerte lange vorher ausverkauft. Aber auch in Köln sind sie längst keine Unbekannten mehr - sie haben mittlerweile auch im Rheinland eine feste Fangemeinde.
Die aberwitzigen Texte und skurrilen Blödeleien sind mitreißend, und bisweilen weiß man gar nicht so recht, worüber man eigentlich genau lacht: Bayerische Jodler bei einer freien Interpretation des Michel aus Lönneberga, der plötzlich auf Strapse und Lederpeitsche steht, geblödelte Andeutungen über Linas Zahnprobleme oder anderer Unfug - viel Irrsinn auf einmal.
Die bekannten Kinderfilmklassiker gehörten ebenso zum Repertoire wie die Carmina Burana, Chansons, Hiphop und Pop. In ständig wechselnden, schrillen Kostümen parodieren sie Abba, Tic-TacToe oder sülzen Gilbert Bicauds 'Natalie' dahin. Sie imitieren russische Balalaikas, während im Hintergrund 'Mütterchen Russland' auf der Videoleinwand unermüdlich tanzt. Auf der anderen Seite beeindrucken sie mit sauberen Harmonien und sicherer Intonation.
Die Kirchenbühne reizt die Hessen zur Spielerei, die keine Scheu vor dem Gotteshaus kennt: Jaques Brel predigt frech von der Kanzel und gegen Ende, das Publikum ist aus dem Häuschen, erscheint in Kutte und Talar ein Prediger mit Gospelchor, ruft singt und springt durch die Bankreihen, rennt zur Bühne, lupft den Hut: Langes Haar wallt hinab, die Arme weit ausgebreitet, blickt die Erscheinung gen Himmel - schwarzer Humor ohne Grenzen.

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